Fight (b)order! Wie ein Graffiti mich zum Nachdenken brachte

11:42 Unknown 0 Comments

Entgegen der Meinung, dass Graffitis nur dazu da sind, um die Stadt zu verschandeln und von jungen Leuten aus Zerstörungsdrang angebracht sind, haben sich die Mauerwerke in den letzen paar Jahren ganz schön hochgearbeitet: vom Underground in die breite Öffentlichkeit, etwa wie der (vermutlich) aus Bristol in Großbritannien stammende Steetart-Künstler, der sich einer breiten Fanbase erfreut, wohl auch, weil er es geschafft hat, einen gewissen Kult um sich aufzubauen, denn: ähnlich wie bei Rapper Cro weiß niemand so genau, wer sich denn hinter diesem geheimnisumwitterten Pseudonym "Banksy" versteckt. Mittlerweile haben es Graffitikünstler geschafft, auch in der Kunstszene anerkannt und gewürdigt zu werden und so den Wandel von den Jugendlichen Spinnern zu (teilweise) ernst genommenen Künstlern geschafft, entstanden früher hohe Kosten für die Entfernung von unerwünschten Spraykunstwerken, so vergeben manche Städte mittlerweile explizit Aufträge an talentierte Sprayer.
Auf der Busfahrt nach Amsterdam bin ich an einem Satz an der Wand, der dort mit schwarzem Spray auf eine graue Betonwand, die gut sichtbar für die Verkehrsteilnehmer ist, gestoßen: "Fight (b)order"- in etwa vertritt dieses Wortspiel die Aussage von "Fuck the System", aber: hier steckt noch mehr dahinter. In nur zwei beziehungsweise drei Wörtern stecken zwei grundverschiedene Aussagen, unter den Stilmitteln wird dies als Oxymoron bezeichnet. Kampf der Ordnung, aber auch der Grenzen. Dabei ist es doch gerade diese Ordnung, die uns zusammenhält, was wäre der Straßenverkehr ohne Ampeln? Was wäre eine Gesellschaft ohne die Moral und ohne Regeln? Gleichzeitig entstehen durch diese Ordnungen aber auch Grenzen: zwischen Kulturen, zwischen Gesellschaftsschichten und zwischen aufeinander prallenden Werten und Ethikvorstellungen- bestes Beispiel ist die Politik, in der es hauptsächlich darum geht die eigenen Interessen durchzusetzen, aber auch als Opposition die andere Partei/en schlecht zu machen, um so die Gunst der Wähler zu erlangen. Ein Gesetz im Parlament, dem jeder Abgeordnete zustimmt? Grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit bei brisanten Themen. Genauso wie die vom Staat gegebenen Gesetzte dazu da sind, Ordnung zu schaffen, Form zu geben und klare Grenzen zu setzen- gleichzeitig tun sich dadurch aber auch Grenzen auf. Fight (b)order ist also kein Gegensatz in sich geschlossen, es ist viel mehr eine Tatsache, eine Folge, ein in sich geschlossenes System. Apropos System: ein Wort, welches bei vielen kleinen und großen Rebellen ambivalente Gefühle auslöst oder sofort Gefühle des unbändigen Hasses.
Besonders unter Jugendlichen ist "Fuck the System" ein beliebter Spruch: Hauptsache man kann gemeinsam gegen etwas sein, gegen die Politiker, die Regeln, die Schule, Autoritäten, aber: genau dieses System ist es am Ende, was uns alle fängt und zusammenhält. Es gibt keinen Ausweg, jeder andere politische Richtung ist wieder ein System in einem System. Wie man damit umzugehen hat? Nun, der amerikanische Psychologe und ehemalige Harvard-Professor Timothy Leary (bekannt als Pioneer auf dem Gebiet der Erforschung von psychedelischen Drogen) hat seine Ansichten zu Autoritäten folgendermaßen formuliert:
Throughout human history, as our species has faced the frightening,
terrorizing fact that we do not know who we are, or where we are going in
this ocean of chaos, it has been the authorities, the political, the
religious, the educational authorities who attempted to comfort us by
giving us order, rules, regulations, informing, forming in our minds their
view of reality. To think for yourself you must question authority and
learn how to put yourself in a state of vulnerable, open-mindedness;
chaotic, confused, vulnerability to inform yourself.
Think for yourself.
Question authority.

Der Schlüssel liegt also bei jedem selbst, sich Gedanken zu machen und sich gegebenenfalls Gedanken zu machen, wieso er denn so unzufrieden mit dem jetzigen System ist und was sich denn dagegen anstellen ließe (im legalen Bereich, versteht sich natürlich). Es ist einfach, einen Spruch wie "Fuck the System" (zu deutsch: Fick das System) rauszuhauen, schwieriger wird's diesen Vorwurf oder diesen Ausruf zu begründen und etwas dagegen zu starten. Deswegen: beim nächsten Mal lieber zweimal nachdenken, bevor man gedankenlos einen so oft zitierten Spruch raushaut, ohne darüber überhaupt nachgedacht zu haben.
Ich persönlich danke dem Sprayer (aus vermutlich Nähe Mönchen Gladbach) für diesen gedanklichen Input und die Inspiration. Mission erfüllt- Politisches Statement via Streetart zum Ausdruck gebracht und der breiten Öffentlichkeit sichtbar gemacht. Was wäre eine Stadt schließlich ohne Graffitis?
Never a truer word.......❤️
Leider habe ich kein Bild machen können, deswegen hier ein Werk von Banksy

Quellen: weherartit und azlyrics

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